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Das Wunder des Lebens 

Ein Geburtsbericht

Gerne möchte ich dich auf die Reise mitnehmen zu meiner selbstbestimmten Geburt. Ein Ereignis in meinem Leben, welches mich stärker, selbstbewusster aber auch verletzlicher gemacht hat. Ich habe all meine Gedanken, Emotionen und einen Teil meines erworbenen Wissens in erster Linie für mich aufgeschrieben, aber auch für meinen Sohn und für alle künftig Gebärenden und alle interessierten Menschen. Diese Geburt - ein persönlicher Meilenstein in meinem Leben - liegt mir sehr am Herzen, da eine Geburt zum Leben gehört - genau wie das Sterben auch. Ich bin davon überzeugt, dass das Thema „Geburt“ enttabuisiert werden darf - dies wird die Zukunft sein. Aus diesem Grund teile ich auch gerne eines meiner intimsten Ereignisse in meinem Leben. Es dient der Zukunft. Einer Zukunft, wo Frauen und starke Emotionen Platz haben. Keine Tabus - einfach nur das pure, wahre Leben. Danke, dass du respektvoll damit umgehst.

Mein Geburtsbericht soll nicht missionieren; nicht andere Geburten werten oder beurteilen. Nein - er soll in erster Linie anderen Frauen Mut machen und vielleicht auch als Inspiration helfen, wie man sich auf eine bevorstehende Geburtsreise vorbereiten kann. Viel zu oft hört man nur die schlimmen und beängstigenden Geschichten zum Thema Geburt. Dazu muss man wissen, dass wir Menschen nicht mal viel dafür können: Laut einer Studie ist die Erinnerung an schlechte oder schlimme Ereignisse für die Evolution wesentlich hilfreicher als die Erinnerung an gute. Das menschliche Gehirn speichert die negativen Erlebnisse deshalb länger und "präsenter", weil wir durch die Erinnerung daran vor ähnlichen Situationen (bzw. Fehlern) bewahrt werden sollen um damit unser "Überleben" zu sichern. Somit priorisiert und gewichtet unser Gehirn "Schlechtes" stärker als "Gutes". Dieser evolutionäre Schutz-Mechanismus ist heute jedoch oftmals mehr Hindernis als Hilfestellung: Da wir quasi ausschliesslich die schockierenden Geschichten und schlimmen Begebenheiten im Kopf behalten und weitererzählen, gehen viele Frauen bereits im Vorfeld davon aus, dass eine Geburt zwingend wahnsinnig schmerzhaft, schlimm und krass sein MUSS. Sich in Gedanken die Erlaubnis zu geben, dass eine Geburt auch „schön“, „stark“, „magisch“ und vielleicht sogar „schmerzarm“ sein kann, fällt uns extrem schwer. Diese Prägung lässt sich aber leicht durchbrechen, sofern man dies wirklich will und ein positives Bewusstsein dafür entwickelt. Dies gilt im Übrigen für alle Bereiche unseres Lebens. Man kann sich darin üben, stets vor allem das Positive aus einer Erfahrung weiter zu geben – meistens muss man dafür nur den Blickwinkel ändern… Deshalb möchte ich nun auch mit dem folgenden Bericht etwas Gegensteuer geben und von meinem positiven Geburtserlebnis berichten, welches mich mental und körperlich vollends zu einer starken Frau gemacht hat. Ich selbst habe immer gerne andere Geburtsberichte gelesen und mich sehr dafür interessiert. Dabei ist mir aber aufgefallen, dass vor allem viele heikle und schwierige Berichterstattungen den Weg ins Netz finden und auch gerne von Frau zu Frau weitererzählt werden. Ich hätte mir mehr positive Geburtsberichte gewünscht – ich weiss, dass es sie gibt. Nur sind sie (noch) schwierig zu finden. Und mir wurde bewusst, dass viele Frauen eine traumatische Geburt erleben, weil sie nicht wissen, wie viel man selbst vorgängig dafür tun kann, damit man einer Wunsch- aka "Traumgeburt" möglichst nahe kommt. Um Hebamme und Autorin Jana Friedrich zu zitieren: „Die Vorstellungen zur Geburt sind oft diffus. "Die werden mir da schon sagen, wie es geht und mir helfen" – so ist die Hoffnung von vielen Frauen. Das tun wir ja dann auch, so gut das geht. Aber Frauen, die eine gute Vorstellung vom Ablauf, den körperlichen Prozessen, dem ungefähren zeitlichen Rahmen haben, und die auch mental vorbereitet sind, haben es wesentlich leichter. Denn der grösste Feind einer Geburt ist die Angst.“ (Quelle: Interview mit www.brigittemom.de) Wer also keine Angst hat und selbst bestimmt, was, wo, wann und wie mit einem geschieht hat schon mal einen grossen Vorteil - Knowledge is Power! Gemäss Hebamme und Autorin Jana Friedrich kann man einen Grossteil (ca. 80%) einer Geburt selbstbestimmt „vorbereiten“ – lediglich 20% des Geschehens sind unplanbar und wenn man so glaubt eben „Schicksal“. Dies verdeutlicht sie anschaulich und leicht verständlich in ihrem Buch „Das Geheimnis einer schönen Geburt“. Diese Lektüre habe ich - nebst diversen anderen Büchern - als sehr informativ und lehrreich empfunden und würde ich jeder werdenden Mutter empfehlen. Im Nachhinein kann ich klar bestätigen: Sowohl die mentale als auch die körperliche Vorbereitung und das nötige Quäntchen Glück haben dazu geführt, dass ich eine wunderbare, selbstbestimmte und starke Geburt erfahren durfte. Deshalb ist es mir ein Anliegen, davon zu berichten. Denn wenn diese Berichterstattung schon nur einer werdenden Mutter hilft und sie positiv inspiriert, ist mein Ziel erreicht. Nun aber zu meinem Geburtsbericht: Ich erinnere mich an die letzte Woche vor der Geburt, welche ich als sehr mühsam und besonders anstrengend empfand. Bereits seit Wochen plagten mich übermässige Wassereinlagerungen in den Beinen, was mir das Gehen und Sitzen zusätzlich erschwerte. Liegen war ebenfalls schon lange nicht mehr bequem und erholsam. Zudem trug ein erhöhter Blutdruck und die Sommerhitze ihr Übriges dazu bei, dass ich mich sehr müde und ausgelaugt fühlte. So schnaufte ich mich förmlich durch die letzten Wochen und hoffte inständig, dass ich nicht mehrere Tage übertragen muss. Obwohl die Schwangerschaft an und für sich ohne schwerwiegende Komplikationen verlief, empfand ich sie eher als Belastung und fieberte dem Ende entgegen, damit ich den Körper endlich wieder „für mich“ habe. Täglich machte ich meine Entspannungs-Meditationen gemäss dem Konzept des „Hypno-Birthing“ (—> Ebenfalls grosser Tipp: das Buch „Mama werden mit Hypnobirthing“ und der Podcast “Die friedliche Geburt”) und hatte dadurch ein sehr feines und intuitives Körpergefühl - und war absolut angstfrei gegenüber dem Grossereignis, welches mir bevorstand. So fühlte ich ein paar Tage vor der Geburt sehr deutlich, dass es keine Woche mehr dauern würde, bis unser Junge geboren werden würde. Obwohl sich der Bauch nie wirklich gesenkt hatte, spürte ich einfach, dass es bald soweit sein würde. Die „Übungswellen“ wurden immer häufiger - mein kugelrunder Bauch wurde 1-2 Mal pro Stunde steinhart. Der Tag des errechneten Geburtstermins brach an (21. Juli) und ich fühlte ganz deutlich, dass ich nicht mehr lange ausharren muss. Wir wurden zur Feier des Tages (ET erreicht!) von der künftigen Gotte zum Nachtessen eingeladen - es gab Lachs-Spaghetti… Eine Leibspeise von mir. Gerne hätte ich so viel mehr gegessen - es war so unglaublich lecker. Doch der zusammengepresste Magen liess nur noch Kleinstmengen zu. Wir scherzten über Sternzeichen und über Aspekte zur möglichen Geburtsstunde - schliesslich bewegten wir uns vom Sternzeichen Krebs auf den Löwen zu - zwei völlig verschiedene Charakter-Typen - wenn man so glaubt. Ich sagte stets zu mir: Unser Baby weiss schon jetzt was es „werden“ will… Es wird den Zeitpunkt seiner Ankunft selbst bestimmen. Die natürliche Ungeduld einer werdenden Mutter hatte mich aber natürlich schon längst eingeholt. Und trotzdem wollte ich unbedingt, dass der kleine Junge selbst den Startschuss geben kann, um auf die Welt zu kommen. So verbrachten wir lachend und scherzend einen herrlichen Sommerabend und wir verabschiedeten uns von unseren Freunden spät in der Nacht und begaben uns nach Hause. Die Nacht war semi-erholsam – so wie all die Nächte in den letzten Wochen zuvor. Es drückte und ächzte in meinem ganzen Körper. Liegend dachte ich stets: So muss sich also ein gestrandeter Walfisch fühlen… So schwerfällig und unbeweglich. Mein Mann ölte mir wie jedes Mal vor dem Zubettgehen den kugelrunden Bauch mit meinem Lieblingsöl von Weleda ein. Zu meinem Erstaunen hatte sich meine Haut so gut an die extreme Dehnung angepasst: trotz schwachem Bindegewebe und Dehnungsstreifen an den Beinen und Brüsten aus meiner Teenie-Zeit war der Bauch absolut streifenfrei und makellos geblieben. Ich war schon sehr stolz darauf. Ein Geschenk, welches ich nie gewagt hätte zu erwarten. Ob es das regelmässige Ölen oder mein Alter war (ab 30 Jahren bekommt man weniger Dehnungsstreifen – so sagt man) - ich war einfach froh darüber. Mit dem vertrauten Duft des Öls und mit ein bisschen Aufregung im Herzen schlief ich ein. Es war ein oberflächlicher und unruhiger Schlaf. Im Halbschlaf spürte ich deutlich, wie sich die Übungs-Kontraktionen häuften. Es müssen so 3-4 in der Stunde gewesen sein. So zog sich die Nacht hin und ich erwachte schliesslich um 10 Uhr am nächsten Morgen des 22. Juli. Ich stand auf und spürte: Heute ist es soweit! Dies sind keine Übungswehen mehr… die fühlen sich intensiver an - aber es war durchaus „aushaltbar“. Mit diesen Gedanken machte ich meine Morgen-Toilette und beschloss, meinen Mann erstmal nicht zu wecken - dieser schlief immer noch den Schlaf der Ahnungslosen. Ich tigerte im Haus umher, machte meine vertraute Entspannungs-Musik an und begab mich in die Geburts-Meditation und wiederholte die positiven Geburtsaffirmationen, die ich bereits seit einigen Wochen übte. Einer meiner Lieblings-Affirmationen waren: „Ich, mein Körper und mein Baby sind stark und gesund. Wir sind ein gutes Team“ oder „Ich vertraue meiner weiblichen Urkraft und lasse los“. Diese Sätze waren positive Gedanken, die ich mir über viele Wochen quasi „eingeimpft“ hatte und mir verhalfen, dass ich absolut ohne Angst und mit gesunder Neugier auf die Geburtsreise zuging. Irgendwann beschloss ich, die Wehen zu messen um einen Anhaltspunkt zu erhalten, wie oft und wie lange sie kamen und dauerten. So zog sich eine „Welle“ ca. 1 Minute hin und wiederholte sich alle 5-6 Minuten. Um 13.00 Uhr beschloss ich meinen Mann zu informieren und ich war erstaunt, dass er immer noch schlief als ich das Schlafzimmer betrat. Er, der sonst nie ausschläft… Ich musste schmunzeln; offenbar holte er sich unbewusst etwas Schlaf vor. Ich weckte ihn sanft und flüsterte ihm ins Ohr, dass wir heute wohl Eltern werden. Ich berichtete ihm, dass ich seit ein paar Stunden in regelmässigen Abständen Kontraktionen spüre und dass es mir aber sehr gut geht. Ich bat ihn darum, dass er mich noch auf einen Spaziergang begleiten möge - ich hatte das starke Bedürfnis noch nach draussen zu gehen um frische Luft zu schnappen. Roli zog sich an und kurze Zeit später waren wir in gemächlichem Gang unterwegs zu einem meiner Lieblings-Bäume, einer grossen uralten Linde mit einer Sitzbank darunter. Auf dem Weg dorthin musste ich regelmässig anhalten um eine nächste Welle zu veratmen. Mein Mann erwies sich dabei als praktische Stütze, damit ich mich irgendwo festhalten konnte. Nachdem wir beim Baum angekommen waren, liessen wir uns auf der Sitzbank nieder und kuschelten - bis zur jeweils nächsten Kontraktion. Dann konnte ich nicht mehr sitzen bleiben und musste aufstehen und mich abwechselnd an der Sitzbank oder am Baumstamm abstützen. Die Augen hielt ich während der Kontraktion stets geschlossen um mich auf meine Atmung konzentrieren zu können und um die Bilder im Kopf aus dem „Hypnobirthing“-Kurs anzuwenden. So zählte ich beim Einatmen langsam auf 4 und beim Ausatmen langsam auf 8. Ich stellte mir bei der Atmung vor, dass der ganze Sauerstoff mich ausfüllt und jeden Winkel meines Körpers erreicht. Ich stellte mir vor, wie meine Atmung direkt über die Nabelschnur zum Baby gelangt, damit dieses weiss: Ich bin ruhig und gelassen, ich atme für dich und ich bin da. Ich stand vor dem Baumstamm und ertastete die grobe, raue Rinde mit meinen Handflächen. Für mich war dieser Baum in dem Moment quasi mein „Stromableiter“ - jedes Mal, wenn mich wieder eine Kontraktion durchfuhr, stellte ich mir vor, wie die Kraft durch meine Arme zum Baum und dessen Wurzel abgeleitet werden. Dies funktionierte recht gut und ich speicherte in meinem inneren Auge den Baum und das Gefühl der rauen Baumrinde ab, damit ich es später im Geburtshaus wieder abrufen und anwenden konnte. So wehte ich ca. eine Stunde vor mich hin und die Abstände verkürzten sich von 5 Minuten auf 4 Minuten. Ich beschloss, dass ich zurück nach Hause wollte um dort den ultimativen Test machen zu können, ob es wirklich „echte“ Wehen sind: Ein warmes Vollbad nehmen. Falls dies nur Übungswehen wären, würden sie während dem Baden verschwinden. Sind es aber echte Wehen, dann intensivieren sie sich und bleiben konstant. Ich wollte einen „Fehlalarm“ unbedingt ausschliessen, denn: wie frustrierend muss es doch sein, wenn man beim Geburtsort ankommt - um dann wieder nach Hause geschickt zu werden, weil Fehlalarm. Dies sollte mir nicht passieren beschloss ich schon Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Also watschelten wir wieder nach Hause… für die Strecke bei welcher man im normalen Schritttempo ca. 10 Min. braucht, benötigte ich eine halbe Stunde. Zuhause angekommen liess Roli mir das gewünschte Vollbad ein - ich überprüfte währenddessen nochmals meine Tasche für ins Geburtshaus und packte all die Dinge ein, die ich nicht vorgängig einpacken konnte (z.B. Brille, Kontaktlinsen-Mittel, Duftspray, Zahnbürste, Handy-Auflagekabel etc…). Dafür hatte ich eigens eine Checkliste vorbereitet, damit ich nichts vergesse, wenn ich mitten im Wehen-Kuddelmuddel stecke. Kurz darauf stieg ich in die Badewanne - eigentlich war ich mir schon da 100%ig sicher, dass es keine "Fake"-Wehen sein können. Aber eben: Kontrolle ist besser; sicher ist sicher. Also machte ich meine Entspannungsmusik an und sank in die wohlige Wärme des Wassers… um gleich darauf von weiteren Wehen erfasst zu werden. Sie wurden definitiv intensiver und ich war nicht mehr in der Lage, währen den Wehen sprechen zu können. Zudem verkürzten sich die Abstände nochmals auf konstante 3 Minuten. Es war ohne Zweifel soweit: Unser Babyjunge wollte kommen. Es war nun ca. 16.00 Uhr. Spannend fand ich die Tatsache, dass um Mitternacht der Sternzeichen-Wechsel stattfand: Würde der Junge vor Mitternacht zur Welt kommen wäre er ein „Krebs“ - nach Mitternacht ein „Löwe“. Ich war mir aber sicher, dass wir bis Mitternacht Eltern sind - immerhin war ich bereits seit 6 Stunden „am wehen“. Zum Glück wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, dass ich weitaus länger haben sollte… Nach ca. 30 Minuten wies ich meinen Mann an, die „Geburtshotline“ des Geburtshauses anzurufen und zu besprechen, wann wir losfahren sollten. Es meldete sich Hebamme Corina; sie hatte die Sonntagabend- und Spätschicht. Mein Mann versuchte so gut es ging die Situation zu schildern - die Hebamme wollte aber direkt mit mir sprechen. Ich steckte aber mitten in einer Wehe und war nicht im Stande zu sprechen. Ich weiss noch, wie ich mich innerlich sträubte und mich fragte, wieso sie unbedingt mich ans Telefon wollte. Schliesslich war ich bereits in meine Meditationen und Entspannungsübungen versunken und fühlte mich dadurch gestört. Nachdem die Welle abgeflaut war, bestätigte ich der Hebamme, dass ich alle 3 Minuten Kontraktionen habe und mir sicher sei, dass das Baby unterwegs ist. Die Hebamme meinte darauf hin, ich müsse nicht eilen… ich solle weiterhin in der Badewanne bleiben, soweit mir wohl dabei sei; wir sollen so in 2-3 Stunden losfahren. Ich versank darauf hin wieder in meine gewohnte Entspannungs-Meditation - im Wasser fühlte ich mich so wohl und alles fühlte sich absolut „aushaltbar“ und „machbar“ an. So konnte ich weiterhin von meiner inneren Ruhe profitieren und sah den nächsten Stunden gelassen entgegen - ich verspürte absolut keine Angst; nur Ruhe und Gelassenheit. Kurz darauf rief die Hebamme aber nochmals an - sie befand es nun doch für besser, wenn wir uns langsam auf den Weg machen würden, da wir doch noch eine Autofahrt von rund 35 Min. vor uns hatten - und sie wollte es nicht darauf ankommen lassen. Leicht entnervt ob der Unsicherheit der Hebamme, befolgte ich die Anweisung und beendete mein Vollbad und stieg aus der Wanne. Alles dauerte nun wesentlich länger als üblich: Alle 3 Minuten wurde ich für ca. 1 Minute von gefühlten „Strom“-Wellen erfasst und konnte nichts tun als mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Mein Verstand war aufs Äusserste geschärft und doch fühlte ich mich wie von einem dicken Nebel umhüllt. Mein Mann half mir beim Anziehen und verstaute die gepackten Taschen im Auto. Wann immer ich konnte, hielt ich meine Augen geschlossen und liess mich führen. Wir stiegen ins Auto und ich öffnete meine Augen danach kein einziges Mal mehr während der Fahrt. Ich wollte unbedingt „bei mir“ bleiben - ich wusste das die Autofahrt besonders unangenehm werden würde, da ich mich nicht bewegen konnte. So war es dann auch: Die aufrechte Sitzhaltung empfand ich als sehr unbequem und starr - ich versuchte mich weiterhin auf meine Atmung und meine inneren Bilder zu konzentrieren. Und so erreichen wir schneller als erwartet die Einfahrt des Geburtshauses „Terra Alta“. Im Geburtshaus war alles ruhig – beide Gebärzimmer waren leer. So durfte ich mich für mein Lieblingszimmer entscheiden, das rechte Zimmer mit den vielen Fenstern und Zugang zur Terrasse. Das Zimmer hiess „Sole“ (Sonne), da es bei Sonnenschein besonders lichtdurchflutet ist. Roli richtete das Zimmer so ein, wie wir es vorgängig besprochen hatten: Kerzenlicht und unsere vertraute Entspannungsmusik erfüllte den Raum. Als wir uns eingerichtet hatten, wollte die Hebamme als erstes ein CTG machen; eine Pflicht-Routine im Geburtshaus, damit sie wissen, dass alles in Ordnung ist mit den kindlichen Herztönen unter der beginnenden Geburt. „Nur 10 Minuten…“ sagte die Hebamme, da sie wusste, dass ich das Gerät um meinen Bauch nicht sonderlich mochte und es mich einengte. Ich liess sie gewähren und veratmete Welle um Welle…welche in dieser liegenden Position aber wesentlich unangenehmer waren. Es stellte sich aber heraus, dass mein kleiner Junge tief und fest schlief, was ein wunderbares Zeichen meiner inneren und äusseren Ruhe war. Die Hebamme erklärte mir aber, dass sie die Herztöne eines schlafenden Kindes nicht als Wert gelten lassen kann, sie müsse das Kindlein wecken. Und so begann sie an meinem Bauch herum zu drücken; erst sanft dann immer bestimmter. Ich versuchte mitzuhelfen und hustete künstlich, in der Hoffnung damit etwas bewirken zu können. Innerlich sprach ich meinem Jungen gut zu, dass er sich gerne an unserer gemeinsamen Reise beteiligen möge - schliesslich wollte ich nicht länger als wirklich notwendig an diesem Gerät „festgebunden“ sein. Es war etwas nach 18.00 Uhr und mittlerweile war auch unsere Geburtsfotografin Corinne eingetroffen und sie fügte sich nahtlos in die friedvolle und feierliche Stimmung ein. Ihre Anwesenheit bejahte ich sehr – ich verspürte eine riesige Vorfreude auf die emotionalen und wertvollen Bilder unserer Geburtsreise. Ich begrüsste sie während einer Wehen-Pause und war froh, dass alles so klappte, wie wir dies im Vorfeld bei einem persönlichen Treffen vereinbart hatten. Sie hatte die ganze Nacht Zeit für uns und war selbst sehr gespannt auf ihren besonderen Auftrag, da dies ihre erste Geburt war, die sie fotografisch dokumentieren durfte. Sie erfüllte damit mir aber auch sich selbst einen länger gehegten Wunsch. Nach der Begrüssung der Fotografin nahm ich sie dann aber kaum mehr wahr… Ich tauchte wieder ab in meine konzentrierte Atmung, ich war ganz bei mir. Nach rund 45 Minuten am CTG erwachte mein Babyjunge endlich und die aussagekräftigen Werte bestätigten kurz darauf: Alles war bestens. So dufte ich mir den einengenden Gurt endlich abnehmen lassen und konnte mich dann frei bewegen. Ich tigerte umher und veratmete Wehe um Wehe abwechselnd stehend über einem Arbeitstisch der Hebamme und dem Wickeltisch, der noch unberührt mit frischen Materialien ausgestattet war. Nach weiteren 45 Minuten spürte ich den Drang aufs Klo zu gehen und war mir sicher, dass ich es alleine schaffen würde. Ich erinnere mich, dass dies aber unglaublich anstrengend war, da ich auf der Kloschüssel wieder von einer Strom-Welle erfasst wurde. Dabei wurde mir urplötzlich speiübel und ich verspürte den unglaublichen Drang zu erbrechen. Geistesgegenwärtig griff ich den nahen Abfalleimer und erbrach mich das erste Mal. Dies war der Moment, wo ich mich plötzlich jämmerlich und elend fühlte. Die innere Contenance der starken und stolzen Weiblichkeit wich augenblicklich von mir. Ich hasste es zu erbrechen. Offenbar wollte sich der Körper von allem „unnötigen“ Ballast entledigen. Ich hatte im Vorfeld davon gelesen, dass dies häufig eine Nebenerscheinung des Geburtsprozesses sein kann und dass man diesen Brech-Drang niemals unterdrücken dürfe. Der Körper weiss, was er tut. Das Wissen darum half mir, diese unwürdige und ekelhafte Situation zu ertragen. Ich veratmete nach der Brech-Attacke eine weitere Wehe und watschelte dann in der Wehenpause wieder hinüber ins Gebärzimmer. Die Hebamme, Roli und die Fotografin hatten von alledem nichts mitbekommen und ich informierte die Hebamme deshalb knapp, was geschehen war und dass ich eine Bouillon zur Stärkung möchte. Diese wurde mir innert kurzer Zeit frisch zubereitet und ich trank dankbar die salzige Brühe, um den ekelhaften Geschmack in meinem Mund zu übertünchen. Leider bemerkte ich jäh in diesem Moment, dass mein Magen dies überhaupt nicht goutierte und dieser erneut rebellierte. Ich würgte und sofort war auch schon die Hebamme da und steckte mir eine Nierenschale zu. Gerade noch rechtzeitig: ein zweites Mal entledigte sich der Körper meinem Mageninhalt; diesmal mit Zuschauer, was ich als sehr unangenehm empfand. Ich fühlte mich hundeelend und beschloss, vorerst nur Wasser zu trinken. Offenbar wollte mein Magen nicht beschäftigt werden. Ich war mittlerweile auf einem Pezziball und wippte auf und ab. Dies beruhigte mich und ich fand wieder in meine innere Mitte und konnte mich auf die Atmung konzentrieren; einatmen, langsam auf vier zählen, ausatmen, langsam auf acht zählen. Mein Mann wurde in der Zwischenzeit angefragt, ob er ein Nachtessen wünschte. Im Geburtsprotokoll wurde dann um 19.45 Uhr eingetragen: „Roland isst Znacht“. Mein Mann sagt heute noch, dass er sich deswegen nicht ganz wohl gefühlt hatte: Er durfte nebenbei ein leckeres Abendmenü verspeisen, während ich schwer am „arbeiten“ war. Nochmals versuchte ich, ebenfalls etwas zu mir zu nehmen; mir war nach Erdbeerjoghurt. Doch zwei Löffel vom Joghurt reichten aus und ich erbrach erneut - ein drittes Mal. Nun gut, ich akzeptierte die Reaktion meines Magens und blieb von da an beim Wassertrinken. Dies musste wohl reichen. Mittlerweile war 20.30 Uhr und die Hebamme wollte, dass ich erneut kurz ans CTG soll. Dies fand ich wiederum als sehr unnötig; ich fühlte mich gestört. Aber sie wollte nochmals die Herztöne zusammen mit den Wehen messen. Ich liess mich „verkabeln“; ich konnte mich aber nur noch ganz langsam bewegen. Mein ganzer Körper war mit jeder Faser angespannt. Ich vibrierte innerlich; ich fühlte mich wie unter Strom. Mit jeder Welle versuchte ich wieder, mir den grossen alten Lindenbaum vorzustellen mit seiner rauen und holzigen Rinde, die ich anfasse und den Strom so in den Stamm und in das grosse Wurzelwerk des Baumes ableite. Dabei summte ich nun. Der Summton half mir, die Stromwelle zu veratmen. Roli erzählte mir später, dass man den Höhepunkt der Wehe gut abschätzen konnte anhand der Intensität des Summtones. Während der erneuten CTG-Messung stellte die Hebamme plötzlich die Frage, ob sie mir Blut abnehmen dürfe. Sie benötige rund drei Fläschchen, damit sie einen Basiswert für eine allfällige Gestose habe. Als Gestose bezeichnet man in der Medizin alle Erkrankungen während der Schwangerschaft, die mit einem erhöhten Blutdruck einhergehen; die bekannteste davon ist die sogenannte Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie), welche auch während der Geburt auftreten kann. Offenbar befand sich Eiweiss in meinem Urin und zusammen mit meinem hohen Blutdruck könnten dies erste Auffälligkeiten einer angehenden Schwangerschaftsvergiftung sein. Ich hatte mich über diese mögliche Komplikation bereits im Vorfeld informiert, da ich seit mehreren Wochen starke Wassereinlagerungen in meinen Beinen und Füssen hatte und mein Blutdruck immer recht hoch war, jedoch selten über 140/90 mmHg, was als gefährliches Indiz für eine SS-Vergiftung gelten würde. Ich wusste aber auch, dass bei einer allfälligen Vergiftung sehr starke Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen und ein Anschwellen aller Körperteile dazu gehören würden. Dies wäre dann gefährlich für mich und das Kind. Aber im jetzigen Zustand wusste ich: Auch wenn ich Bluthochdruck hatte und Wassereinlagerungen in meinen Beinen, ich war mir SICHER, dass ich keine Schwangerschaftsvergiftung hatte. Ich fühlte mich frei im Kopf - ich hatte während der gesamten Schwangerschaft nie Kopfschmerzen und war auch jetzt - mitten unter der Geburt - völlig klar im Kopf und dort absolut schmerzfrei. Deshalb verneinte ich eine Blutabnahme vehement, denn ich habe eine extreme Abneigung - ja ich würde sagen eine Phobie - gegen Spritzen. Ich werde üblicherweise ohnmächtig, sobald man mir Blut nehmen will. Aus diesem Grund bestand ich darauf: Solange ich keine Kopfschmerzen und auch kein weiteres Anschwellen der Gliedmassen verspüre, sah ich nicht ein, wieso ich Blut geben soll und mich dadurch so aus dem Konzept bringen lassen soll. Eine Blutabnahme wäre ein erheblicher Störfaktor für meinen Geburtsprozess gewesen. Ich WUSSTE dies mit innerer Bestimmtheit. Ich bat Roli darum, dass er mich davor beschützen soll, da ich mich weiter auf meine Atmung und auf meine inneren Bilder konzentrieren wollte. Und so übernahm Roli die Funktion des Redners; er wusste genau, wie ernst es mir war. Mein Mann unterstrich meine Aussage und verneinte die Blutabnahme. Die Hebamme zog sich daraufhin zurück und akzeptierte unseren Entscheid, da kein dringender Verdacht bestand. So stand es dann auch im Geburtsbericht um 21.40 Uhr: „Paar möchte im Moment keine Blutentnahme. Evt. später. Die Intervention würde sie aus dem Konzept bringen. Sie möchte in die Badewanne - jetzt.“ Und so wurde ich vom leidigen CTG befreit und durfte 10 Minuten später endlich in das warme und herrlich entspannende Wasser hineinsinken. Hier war ich nun richtig. Ich spürte, wie ich wieder völlig in mich hineindenken konnte und fand sofort in meine Entspannung zurück. Vertrauensvoll übergab ich nun die Geburtsarbeit meinem kraftvollen Körper. Ich spürte mit jedem Atemzug, wie sich mein Körper und mein Geist entspannte – und mit der Entspannung spürte ich, wie die Gebärmutter ihre Arbeit effektiv und koordiniert aufnehmen konnte – die Urkraft der Frau übernahm wieder. Dabei veratmete ich jede Wehe mit verschiedensten inneren Bildern und Mantras, die ich in Gedanken aufsagte. Ich sah eine Seerosen-Blüte vor mir, die sich weit und weiter öffnete. Ich stellte mir vor, wie ich unter einer riesigen meterhohen Welle im Meer untendurch tauchte und nach obenhin zuschaute, wie sie tobte und wirbelte. Ich „spürte“ den Lindenbaum mit seiner rauen Rinde, welche meine „Stromwellen“ durch sein grosses Wurzelwerk in den Boden leitete. Ich vergass die Zeit und war erstaunt, wie friedlich und ruhig ich war. Die begleitende Fotografin erzählte mir später, dass sie es absolut erstaunlich fand, wie ich in dieser Badewanne lag und aussah als wäre ich tiefenentspannt und am Dösen. Hätte sie nicht gewusst, dass ich mitten im Geburtsprozess war, sie hätte es nicht für möglich gehalten. Und so lag ich zwei weitere Stunden im Wasser, äusserlich völlig ruhig - aber innerlich tobten die Stromwellen. Um Mitternacht übernahm Hebamme Rahel die Nachtschicht; nur schemenhaft kann ich mich an den Wechsel erinnern. Ich weiss nur noch, wie sie mich um Erlaubnis bat, die Öffnung des Muttermundes zu messen. Ich liess sie messen und sie fragte mich darauf hin, ob ich das Ergebnis wissen wolle. Ich geriet kurz ins Zögern. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, dass ich keine Messungen und keine Zeitangaben wissen wollte, da diese mich vielleicht unter Druck bringen könnten. Jetzt war ich mir aber nicht mehr so sicher: Falls der Muttermund nun schon sehr weit offen war, würde mich dies enorm anspornen. Andererseits: Falls er noch nicht so fortgeschritten geöffnet ist, wäre dies wahrscheinlich ein mentaler Touch-Down, all diese Mühe für so wenig Öffnung… Ich beschloss deshalb bei meinen Prinzipien zu bleiben. Ich verneinte deshalb, ich wollte die Mess-Angaben nicht wissen und machte weiter. Im Nachhinein weiss ich: Es war die einzig richtige Entscheidung. Im Geburtsbericht las ich später: „Öffnung MM 3 cm“ (!) … und dies nach 14 Stunden Wehenarbeit!! Ich wäre tatsächlich extrem frustriert gewesen, dass weiss ich heute genau. Die Hebamme erklärte mir später, dass der Grund wohl die immer noch intakte Fruchtblase war. Diese verhinderte, dass der kindliche Kopf den nötigen Druck ausüben konnte und somit zu wenig Kraft hatte, um den Muttermund zu öffnen. Dies war wohl auch der Grund, wieso der Geburtsprozess so lange dauerte - immerhin war ich nun seit 6 Stunden im Gebärzimmer mit Wehen im 2-3 Minuten-Takt… und hätte ich gewusst, dass es nochmals 8 weitere Stunden dauern würde, ich wäre wohl ins Zweifeln geraten. Aber in diesen Stunden hatte ich absolut kein Zeitgefühl mehr. Alles was zählte war dieses Gefecht zu gewinnen, Wehe für Wehe weiterkämpfen. Ich zählte meinen Atem; die Sekunden wurden zu Minuten, Minuten reihten sich an Stunden. Ab und zu hörte ich aus der Ferne die Kirchenglocke zu uns ins Gebärzimmer schallen, die im Viertelstunden-Takt die Zeit angab. Um 1.00 Uhr verspürte ich erstmals so starke Wehen, die mich gefühlt aus der Fassung bringen wollten. Nun war alle Konzentration gefordert - in meinem Kopf fühlte es sich an wie eine Schlacht und mein ganzer Körper vibrierte mit. Hinzu kamen nun sehr starke Kreuz-Schmerzen die auch währen den Wehen-Pausen anhielten. Dies waren nun echte Schmerzen, die mir sehr zu schaffen machten und im Nachhinein gesehen das Schmerzhafteste an der gesamten Geburt war. Die Kreuz-Schmerzen wollten nicht mehr weggehen; abwechslungsweise versuchten Roli und die Hebamme mit den Händen Gegendruck in meinem Kreuz- und Steissbein zu geben. Dies fühlte sich zwar unglaublich erleichternd an - aber trugen immer nur kurz zur Linderung bei. Irgendwie fühlte sich nun alles sehr anstrengend und aussichtslos an. Als würde ich „vergebens“ vor mich hinwehen… und so machte sich auch eine leise Resignation in mir breit. Seit ein paar Stunden kam ich offenbar nicht wirklich voran, ich spürte dies deutlich. Der Körper wollte zwar unbedingt weiterkommen; zeitweise hatte ich sogar das Gefühl, dass ich Pressdrang verspüre. Fakt war aber, dass die Geburt nicht voranging. Es war ein Stillstand. Nachdem ich die Hebamme über plötzliches Augenflimmern und Erschöpfungsgefühl informierte, entschied sie um 01.17 Uhr, dass ich aus der Badewanne kommen soll, damit sie ein weiteres CTG machen und mich in eine andere Geburtsposition bringen konnte. Der Wechsel vom Wasser zum Bett fühlte sich für mich schier unmöglich an: nach all den Stunden im Wasser fühlte ich mich ausserhalb der Badewanne von der Wucht der Gravitation wie erschlagen. Wie ein schwerer, unbeweglicher Koloss, welcher im Minutentakt von Schmerzwellen überrollt wurde - so fühlte ich mich. Ich fiel aus meinen positiven Affirmationen heraus, es fühlte sich alles unmöglich an. Gestützt von der Hebamme und von Roli schaffte ich es endlich ins Bett und wurde mit dem CTG-Gerät verbunden. Die Hebamme leitete mich an, mich in die linke seitliche Lage zu positionieren. Schwerfällig gehorchte ich ihr und veratmete weitere Wehen. Später im Geburtsbericht erfuhr ich, dass sich das kindliche Köpfchen falsch in den Beckeneingang gedreht hatte und die Geburt deshalb stockte. Ziel der Lagerung war nun, dass der Kopf wieder aus dem Beckeneingang hinauskam, damit quasi für das Baby ein „Neustart“ für die Durchquerung des Beckens gegeben ist. Aber offenbar wollte dies nicht richtig funktionieren, den Rahel, die Hebamme, fragte uns ob sie die Zweitmeinung einer weiteren Hebamme hinzuziehen dürfe, welche über langjährige Berufserfahrung verfüge. Etwas später schlugen uns beide Hebammen vor, mein Becken mit Hilfe eines grossen Leinentuches (Rebozo-Tuch) durch zu schütteln, damit das Köpfchen hoffentlich wieder aus dem Beckeneingang rutscht. Ich musste mich hierfür auf meine Ellbogen stützen und den Po weit nach oben strecken. Diese Position fand ich allerdings sehr beschämend; ich fühlte mich elend und ausgestellt. Das Tuch wurde um mein meine Hüften gelegt und beide Hebammen zog am jeweils anderen Tuchende in zuckenden Bewegungen. „Äpfelschütteln“ nennt man dies unter Fachpersonen. In der Hoffnung, dass es die gewünschte Wirkung hat, liess ich die Prozedur einfach über mich ergehen. Ich versuchte weiterhin auf meine Atmung zu achten; aber es war so schwer. Ich fühlte mich so übel; kurze Zeit später musste ich mich wieder übergeben. Im Nachhinein weiss ich, dies war mein Tiefpunkt. Ich sah das Ende des Tunnels nicht und ich versuchte die aufkeimende Verzweiflung immer wieder mit positiven Affirmationen zu verdrängen; „Alles wird gut.“ und „Irgendwie schaffen wir das“ und „Hoffentlich ist es bald zu Ende…“. Mein Mann war während diesen langen Stunden stets an meiner Seite und hielt meine Hände, wann immer ich nach seinem Halt verlangte. Ich genoss seine Anwesenheit - ja, ich war trotz meiner innerlichen Stärke sehr froh um seine ruhige Präsenz. Wie ein Fels in der Brandung war er stets in meiner Nähe und ich konnte nach ihm greifen, wenn mir danach war. Seine liebevollen Hände berührten oft meinen Arm ganz sanft, stets strahlte er Zuversicht und Liebe aus, was mir zusätzliche Kraft gab. Seine Augen schauten mich voller Zärtlichkeit und Zuversicht an und bestätigen mir wie stolz er auf mich war. Wir waren ein gutes Team. Nach dem Beckenschütteln legte ich mich wieder auf das Bett in die linke Seitenlage und hörte aus der Ferne, dass die Kirchenglocke mittlerweile 3 Uhr schlug. Im Liegen vertiefte ich mich wieder in meine Gedankenwelt und atmete tief ein und aus. Die Schmerzen im Kreuz und Steissbein waren nun dauerhaft, nebst den Wehen-Wellen, die im 4 Minuten-Takt kamen und gingen. Dank meinen intensiven Gedankenbildern konnte ich die Schmerzen aber gut im Zaum halten und jede „Stromwelle“ bejahend mitsurfen. Zeitweise döste ich sogar etwas weg. Unsere Hebamme kontrollierte von Zeit zu Zeit die kindlichen Herztöne und die Kopflage. Ich wusste innerlich stets, dass es dem Baby gut geht. Sie erklärte uns auf, dass unser Junge am Beckeneingang immer noch versuchte, die richtige Kopf-Position zu „finden“ und offenbar zu wenig Schub und Kraft hatte, sich vollends in den Beckeneingang zu drehen. Sie äusserte die Vermutung, dass ich wohl eine Fruchtblase mit viel Wasser und einer besonders dicken Ei-Haut hätte. Denn trotz der langen Wehenarbeit und den intensiven Stunden war die Fruchtblase immer noch intakt. Die Hebamme erklärte uns, dass das Baby dadurch ein grosses „Wasser-Polster“ vor dem kindlichen Kopf hat, welches ihm wohl den nötigen Druck nahm, damit es in das Becken fand. Sie schlug deshalb vor, die Fruchtblase künstlich zu sprengen - obwohl ich gemäss meinem Geburtsplan keine künstlichen Eingriffe wollte. Sie verdeutlichte mir, dass sie meine Wünsche absolut respektierte und mir aber auch gleichzeitig sämtliche Möglichkeiten aufzeigen wollte, damit wir nach all den Stunden voran kommen können. Ich verstand ihr Pflichtbewusstsein und doch fasste ich neuen Willen, dem Baby selbst nochmals die Chance zu geben, den Weg im Alleingang zu finden - ohne künstliche Intervention. Die Hebamme respektierte meinen Wunsch und wir vereinbarten, dass wir später nochmals über diese Möglichkeit sprechen können, falls sich nicht der gewünschte Fortschritt zeigte. Sie bot mir eine weitere Kreuzmassage an und verabreichte zusätzlich eine Schüsslersalzmischung, die mich für die nächsten Stunden stärken sollte. Mittlerweile war 4.30 Uhr. Ich wehte weiter vor mich hin, teils liegend, teils stehend, teils verspürte ich deutlichen Pressdrang. Eine Stunde später klagte ich leise, dass ich wohl nicht mehr lange die Kraft habe… ich fühlte mich so ausgelaugt und energielos; ich spürte deutlich, dass es einfach nicht voranging und mein Körper langsam erschöpft war. Die Hebamme bestätigte mein Gefühl und kurz vor 6 Uhr morgens fasste ich dann den Entschluss, dass die Hebamme dem Geburtsprozess einen Schubs geben und die Blase künstlich sprengen darf. Die Hebamme mit der langjährigen Berufserfahrung erklärte mir dann Schritt für Schritt, was sie tun wird und versicherte mir, dass die Blasensprengung keine Schmerzen verursacht. Ich war beruhigt, denn die lange „Häkelnadel“ welche sie mir als Instrument zeigte, wirkte auf mich recht furchteinflössend. Ich vertraute ihr jedoch komplett und versuchte mich zu entspannen und atmete wieder tief ein und aus. Ich lag auf dem Rücken, Roli hielt meine Hand und Hebamme Rahel assistierte der ausführenden Hebamme Jacqueline. Kaum hatte sie die Nadel eingeführt, spürte ich auch schon einen heftigen Schwall warmer Flüssigkeit auslaufen. „5.54 Uhr, künstliche Blasensprengung, Fruchtwasser klar.“, stand später im Geburtsprotokoll. Dies bestätigte mein Gefühl, dass unser Baby bis hierhin keinen grossen Stress hatte und alles in Ordnung war. Wie Hebamme Jaqueline voraussagte, tat die Fruchtblasensprengung überhaupt nicht weh und ich war überrascht, wie kurz und unaufgeregt der Eingriff war. Und noch überraschter war ich ob der nächsten Wehe, die dann unmittelbar danach auf mich zurollte: Die Wehe war eine gefühlte 10 Meter hohe Welle und ich brauchte allen Atem und meine ganze Konzentration, um diese zu meistern. Das Körpergefühl war komplett anders, es fühlte sich gewaltig an. "Genau so muss es sein, das ist es!", dachte ich. Ich lag seitlich im Bett und spürte, dass ich mich wieder ganz auf mich und das Baby konzentrieren musste. Ich informierte die Hebamme, dass ich einen starken Pressdrang verspürte. Die Hebamme wollte unbedingt nochmals die Lage des kindlichen Kopfes überprüfen und nochmals die Herztöne messen. Und so wurde ich ein letztes Mal an den CTG-Schreiber verkabelt und ein letztes Mal vaginal untersucht. Rahel bestätigte: Das Köpfchen hatte sich richtig gedreht und befand sich direkt am Beckeneingang. Nun durfte die Geburt endlich voranschreiten… Die Hebamme war zufrieden und liess mich dann endlich um 06.55 Uhr wieder in die warme Badewanne steigen. Nun war ich wieder völlig bei mir; endlich konnte ich mich wieder sammeln und meine ganze innere Kraft aufbringen um das letzte Stück Arbeit anzugehen. Ich fühlte die Kraft und den unglaublich mächtigen Druck nach unten; es war eine WUCHT! Ich schaffte es, äusserlich ruhig und tief atmend in der Wanne zu liegen; innerlich tobte ein Wirbelsturm. Dem Pressdrang entgegnete ich mit Summen und langem Ein- und Ausatmen. Ich war tief versunken in einer Parallelwelt, schemenhaft kann ich mich an die ersten Sonnenstrahlen erinnern, die mittlerweile den neuen Tag verkündeten. Es war der 23. Juli. Ein Sommertag wie er im Bilderbuch steht. Ich kauerte im Wasser in der Malasana-Position (Tiefe Hocke im Yoga), da dies eine bis zu 30% grössere Beckenöffnung ermöglichte und ich mich sehr wohl dabei fühlte. Ich spürte deutlich, dass es so ganz einfach und schnell gehen würde. Ich war in diesen Momenten einfach nur noch pure Intuition, die Urkraft der Frau hatte mich völlig in der Hand und es fühlte sich so gut und mächtig an. Ich spürte auch, dass es mir fast eine Spur zu schnell ging. So führte ich meine Hände intuitiv nach unten in meinen Schoss und gab sanften Gegendruck auf das Köpfchen, welches sich mittlerweile direkt am Scheideneingang befand. Ein- oder zweimal drückte ich so das Köpfchen zurück, um dem Scheideneingang die nötige Zeit für die maximale Dehnung zu geben. Plötzlich streichelte mich jemand sanft am Oberarm und sprach mich in leisem Ton an: „Hallo Angela, ich bin deine neue Hebamme und löse Rahel von der Nachtschicht ab. Mein Name ist Anina.“ Ich hielt die Augen weiterhin geschlossen und roch ein angenehmes Parfüm. Ich weiss noch sehr genau, wie ich empört dachte, dass ich jetzt absolut keine Zeit für eine Vorstellungsrunde hatte. Schliesslich kam das Baby JETZT. Ich atmete wieder tief ein und aus… Ein “Alles-oder-nichts”-Powerschub erfüllte mich und ich konnte so meine Hemmschwelle überwinden, an diesen sensiblen Bereich hinzuschieben. Ich fühlte einen kurzen, brennenden aber durchaus aushaltbaren Schmerz. Das war er, der berühmt-berüchtigte “ring of fire”. Nach dieser Welle entgegnete ich der neuen Hebamme lediglich: „Der Kopf ist draussen…“ Und da bemerkte ich, wie allesamt rings um mich aufsprangen und plötzlich ein leises, emsiges Treiben herrschte. Die Fotografin sagte mir später lachend, dass ich zum Glück diese eine Bemerkung gemacht hätte; ansonsten hätte sie wohl die eigentliche Geburt verpasst zu fotografieren. Auch Anina, die neue Hebamme war ganz aus dem Häuschen; sie hatte erwartet, dass die Geburt gut noch zwei-drei weitere Stunden dauern würde; so hatte es ihr Rahel im Protokoll vermerkt. Ganz offenbar hatte man mir der schnelle Fortschritt und das Endstadium der Geburt nicht angemerkt. Auch mein Mann war völlig überrascht. So versammelten sich alle anwesenden Personen am Rand der Badewanne und warteten gespannt auf die Geburt des neuen Erdenbürges. Hebamme Anina ermunterte mich, dass ich nun nochmals kräftig schieben dürfe. Ich entgegnete ihr aber, dass ich gerne ganz bewusst die nächste Welle abwarten möchte und dann intuitiv mitschieben werde. Ich war ganz klar im Kopf und hatte in dieser Wehenpause absolut keine Schmerzen mehr. Ich hatte die 100%ige Gewissheit, dass es nur noch diese eine grosse Welle sein würde bis mein Babyjunge da ist. Und so wartete ich beinahe sehnsüchtig darauf, dass die letzte Presswehe kam. Alle fieberten mit mir mit; die Minute fühlte sich ewig an. Und dann kam sie; die Welle rollte langsam und unaufhaltsam an: Ich schloss die Augen nochmals und atmete tief in meinen Schoss hinein und liess den langen Stromschlag über mich fliessen. Meine Hände hielten den Kopf des Babys und ich spürte, wie sich nun der kleine Körper vollständig aus mir hinausschob. Ich hielt das Baby fest; die Hebamme hielt ihre Hände über meine Hände und auch mein Mann Roli fasste intuitiv mit einer Hand ins Wasser. Und so wurde unser kleine Löwenjunge liebevoll mit fünf willkommenden Händen an die Wasseroberfläche gehoben und zu mir geführt, wo ich ihn in meine Arme schloss. Noch heute schaudere ich bei dieser Erinnerung; es ist der bisher schönste Moment in meinem Leben. Unsere Fotografin hatte den wunderbaren und magischen Augenblick in einem Bild festhalten können; ihr ist es gelungen, genau diesen Moment für immer festzuhalten. Dafür werde ich ihr ewig dankbar sein. Die Stimmung war fröhlich, friedlich und feierlich… Ich war so unglaublich stolz auf mich! Ich hatte es geschafft und fühlte mich grossartig. Es waren beide Hebammen anwesend, Rahel die mich während der Nacht hindurch begleitet hatte war glücklich, dass sie die Geburt auch noch miterleben durfte – ein ganz unerwarteter Höhepunkt, wie sie mir gestand – zumal sie mich die ganze Nacht hindurch begleitet und mit uns den Geburtsstillstand und mein mentales Tief durchgemacht hatte. "Die Geburt ist Krönung der Arbeit aller Hebammen", sagte sie. So habe sie nun freiwillig etwas die Schicht überzogen obwohl sie offiziell die Geburtsbegleitung bereits an Anina übergeben hatte. "08.20 Uhr: Übergabe an Anina", stand im Geburtsbericht. "08.26 Uhr: Spontangeburt im Wasser, Kind männlich". Ich blieb in der Wanne liegen und unser Junge wurde mit einem warmen, gelben Tuch bedeckt. Ich schielte kurz zwischen seine Beinchen und versicherte mich, ob wir zurecht mit einem Jungen gerechnet hatten. Er quäkte leise, seine kleinen Mandelaugen blinzelten verwundert umher, seine winzigen Fingerchen umschlossen den Zeigefinger meines Mannes. Ich konnte dieses Wunder kaum fassen. Worte vermögen nicht zu beschreiben, wie schön die Stimmung und diese Situation war. Wir waren immer noch miteinander durch die Nabelschnur verbunden, welche wir auspulsieren lassen durften. Es war ein Moment der Vollkommenheit, welcher ich bis an mein Lebensende wie einen Schatz in mir tragen werde. Hebamme Anina fragte uns, welchen Namen wir für den Jungen ausgesucht haben. "Leo Alexander", antworteten wir gemeinsam und der Moment fühlte sich feierlich an. Gemeinsam bestaunten wir unseren kleinen Sohn; er war einfach perfekt. Mittlerweile war er wieder eingeschlafen und sah friedlich und rosig aus. Ich platzierte ihn auf meinem weichen, erschlafften Bauch und wollte ihm Zeit lassen, um den "Breast Crawl" machen zu können. Ich hatte ziemlich spät in der Schwangerschaft das erste Mal von diesem faszinierenden Phänomen gehört und hatte damals beschlossen, dass ich dies unbedingt versuchen wollte, sofern es unsere Situation erlaubte. Wir hatten das Glück, dass uns keinerlei Druck auferlegt wurde; wir hatten alle Zeit der Welt. Und so wurden wir Zeuge dieses herzigen Schauspiels: Nach dem kurzen Erholungsschläfchen erwachte Leo wieder und begann instinktiv, mit seinen Füsschen zu treten um somit Zentimeter für Zentimeter nach oben zu kriechen. Dabei bewegte er stets suchend sein Köpfchen, schürzte seinen kleinen Mund zu einem Schnütchen und schmatzte hörbar. Es dauerte rund 10 Minuten bis er selbstständig ohne Hilfe meine Brust gefunden hatte und gierig begann zu trinken – als hätte er nie etwas anderes getan. Es war pure Natur in Perfektion, ein beeindruckender Ur-Instinkt. Ich genoss dieses erste Bonding und Stillen so sehr; ich hätte es mir nicht schöner erträumen können. Nach dem ersten Stillen schlug Anina vor, dass Leo nun abgenabelt werden kann, damit er anschliessend bei meinem Mann weiter kuscheln darf. Sie zeigte uns die Nabelschnur und ermunterte uns, diese anzufassen und zu fühlen, ob noch ein Puls spürbar ist. Der Puls war nicht mehr vorhanden, das Gewebe war mittlerweile weiss geworden und lag schlaff in unseren Händen. Somit war klar, dass die Nabelschnur mittlerweile auspulisert war und mein Mann nun die Nabelschnur durchtrennen konnte. Die Hebamme klemmte die Nabelschnur an zwei Stellen ab und Roli konnte daraufhin in der Mitte den Strang durchtrennen. Ich sah dabei zu und war erstaunt, wie zäh und robust eine Nabelschnur ist. Anschliessend platzierte die Hebamme das kleine Menschen-Bündel auf dem nackten Oberkörper meines Mannes, welcher sich für das "Kennenlern-Kuscheln" aufs grosse Doppelbett gelegt hatte. Zu mir meinte dann Anina in einem mütterlich strengen Ton, dass ich nun noch die restliche Arbeit zu erledigen hätte und die Geburt erst abgeschlossen sei, wenn die Plazenta ebenfalls vollständig "geboren" ist. Sie leitete mich an, nochmals die letzte Gebärposition einzunehmen und tief in mich hinein zu atmen. Tatsächlich spürte ich kurz darauf nochmals eine kleine Wehe auf mich zurollen und war erstaunt, dass ich nochmals deutlich mitschieben musste, bevor dann um 08.56 Uhr die Plazenta vollständig draussen war. Irgendwie hatte ich vorher angenommen, dass dies einfach so von alleine geschehen würde. Ich wurde eines Besseren belehrt und war froh darüber, als mich Anina daraufhin strahlend informierte, dass die Plazenta vollkommen sei. Sie erkundigte sich bei uns, ob wir sie anschauen möchten. Fasziniert sah ich zum ersten Mal in meinem Leben dieses wundersame Organ, welches über so viele Wochen unser Baby genährt und versorgt hatte. Die vielen verästelten Blutgefässe erinnerten mich an das Wurzelwerk eines Baumes. Anina zeige uns auch die Haut, welche vorher die Fruchtblase gebildet hatte. Sie bestätige uns, dass dies eine unglaublich dicke Eihaut war; vermutlich hätte ich noch stundenlang weiterwehen können ohne dass die Fruchtblase je von alleine geplatzt wäre. Dieser Befund bestätigte uns, dass der Entscheid richtig war, die Blase künstlich öffnen zu lassen, zumal ich ja langsam aber sicher am Ende meiner körperlichen Kräfte war. Es war alles zu unserem Besten verlaufen und diese Gewissheit erfüllt mich noch heute mit grosser Dankbarkeit. Anschliessend durften wir im grossen Bett gemeinsam kuscheln und uns beschnuppern; sogar das Frühstück wurde uns ins Gebärzimmer serviert. Es war einfach so herrlich entspannend und friedlich; wir waren wunderbar geborgen und alles fühlte sich magisch an: Die Sonnenstrahlen der Morgensonne, das frische Sommer-Lüftchen, welches durch die geöffnete Terrassentür hineinwehte, der Geruch des dampfenden Kaffees, die feierliche Stimmung und die ansteckende Fröhlichkeit der Hebamme – und dann erst dieser betörende Babyduft und die seidenzarten Haare, wirklich ein kleines Wunderwesen. Ich kam nicht aus dem Staunen hinaus und fühlte einfach nur pures Glück in meinem Innern. Erst später erfuhr ich, dass man diese Stunde direkt nach der Geburt auch "the golden hour" nennt. "Die goldene Stunde", wie passend, dass wir diese im Gebärzimmer mit dem Namen "Sole" (Sonne) verbringen durften. Seit diesem Moment verstehe ich wirklich, wieso eine Geburt auch als "Wunder des Lebens" bezeichnet wird: Für eine winzig kurze Zeit steht die Welt still, wenn eine Seele umhüllt von Sternenstaub die Schwelle zum Erden-Dasein überschreitet und seine Lebensbühne betritt. Eine neue Sonne geht auf. Eine neue Geschichte beginnt. Es ist ein Hauch des Universums. Ich schliesse meine Berichterstattung mit einer Passage aus einem Gedicht von Hermann Hesse, welche meines Erachtens genau diesen magischen Moment der Schöpfung in poetischen Worten auf den Punkt trifft: “…und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.”

Und jedem Anfang wohnt
ein Zauber inne,
der uns beschützt und der
uns hilft, zu leben."

Hermann Hesse

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